Sieben Tage in Deutschland… (3)

Sieben Tage in Deutschland… (3)
… nun folgt der dritte und letzte Streich …

Tag sechs und sieben
Nach einem anstrengenden und erlebnisreichen Wochenende rief nun die Pflicht. Nein, nicht im Büro, manchmal hat man auch im privaten Bereich Aufgaben, denen man sich nicht entziehen kann. Nun hieß es einen Ein-Personen-Hausstand von K nach D zu verlagern. Mit einem straffen Zeitplan, da zwischen K und D schlappe 630 Km lagen. Unsere Zeitplanung stimmt noch nicht so ganz überein, hatte eine Abweichung von zwei bis drei Stunden.
Und zu allem Überfluss haben wir ja alle gemeinsam im Juni gefroren, deshalb ist es jetzt schon am Morgen richtig muckelig warm. Das sind die Temperaturen, die man braucht beim Kisten schleppen.

Schritt 1: Anreise zum Ort, an dem die Kisten stehen. Alles easy. Na gut, wir hätten einen Zug früher nehmen können, aber ich bin ja nun auch nicht mehr so ganz taufrisch und brauche meinen Schlaf. Da es im Ergebnis bei einer Stunde früher losfahren eine halbe Stunde früher am Ort des Geschehens gewesen wäre, haben wir uns für die spätere Variante entschieden. Wir wussten es nicht besser…
Mit den noch fehlenden notwendigen „Kleinigkeiten“ im Gepäck erst mal eine Stunde Bahnfahrt. Bis zum Zielbahnhof war das alles kein Problem, die Überwindung des Weges haben nette Fahrer von Bus und Bahn übernommen. Dann übersetzte die Realität die Ankündigung, der Bahnhof sei ungünstig angelegt, wir müssten einmal um den Pudding laufen. Hm, da sich unser geliebter Stern schon weit nach oben gearbeitete hatte, war seine Energielieferung schon kräftig. Die Äußerung „wir sind ja in der Nähe des Bahnhofs“ ist auch die subjektive Betrachtung eines Autofahrers! Also mit einem Zwei-Platten-Kocher aus der letzten Steinzeit (also aus einem Stück gefeilt und ohne Gewichtsreduktion), einer Luftmatratze und diversem Werkzeug im Handgepäck sind wir dann ca. zwanzig Minuten um den Pudding gelaufen, um das begehrte Fortbewegungsmittel zu bekommen. Pünktlich um elf Uhr sind wir dann mit dem Transporter in der richtigen Größe bei der Autovermietung unseres Vertrauens vom Hof gerollt.

Schritt zwei: Einladen. Es begann damit, einen passenden Parkplatz für unser Ungetüm mit kurzen Wegen für die Kisten zu finden. Wir bogen in die Straße des Geschehens ein und sahen sofort, dass es uns nicht einfach gemacht wurde. An der Stelle, die für uns das Optimum darstellte, stand ein schickes Auto. Hm, vielleicht fährt er ja gleich wieder weg? Viele Alternativen hatten wir nicht mehr, also wurden erstmal die Garagen zugeparkt. Wir sind ja eh in der Nähe, falls einer raus will. Bei unserem Glück wollte keiner raus, aber einer rein. Es stellte sich heraus, dass wir doch etwas länger vom Auto weg waren. Aber der nette Mann ruhte in sich selbst und war geduldig. Oder er hatte Mitleid mit uns, da wir schon so abgekämpft aussahen. Also einmal eine Ehrenrunde drehen und wieder vors Haus.

Glücklicherweise ist die Person, um deren Ortswechsel es hier geht, praktisch veranlagt und fleißig. Es stand fast alles schon auf der untersten Ebene. Nur noch die unhandlichen, nicht allein zu bewegenden Teile standen noch oben. Da wir diese Teile vor noch nicht allzu langer Zeit hoch gewuchtet hatten, wussten wir, was uns erwartet. Also diese zuerst nach unten, solange wir noch halbwegs frisch waren. Außerdem mussten die Teile als erstes ins Auto.

Irgendwie war es nicht mein Tag. Das Packen des Autos stellte sich aufgrund der unterschiedlichen Formate und vielen Kleinteile schwierig dar. Aber irgendwann hatten wir den Dreh raus. Nach zweieinhalb Stunden war das Auto vermeintlich beladen, unten im Treppenhaus war alles weg. Ein letzter Gang nach oben war dann schon ein wenig ernüchternd. Da standen dann noch so ein paar Kleinigkeiten, leere Kartons, die mit sollten und ein Staubsauger. Das passte dann auch noch irgendwie ins Auto, Türen zu und los. Bis jetzt passte meine Zeitplanung hervorragend. Wenn wir jetzt gut durch kamen, sollten wir gegen neun in D eintrudeln. Dann könnten wir noch ein Stündchen ausladen und den Rest am nächsten Tag.

Schritt drei: Die Fahrt. 630 Km, die Abfahrt leider etwas zu spät. Glücklicherweise hatte das gemietete Auto eine Klimaanlage. Dafür erträgt man auch die etwas lautere Geräuschkulisse. Also den Weg zur A3 suchen. Kein Problem – ich hatte einen hervorragenden Navigator. Dieses Terrain war mir völlig neu, auf dieser Strecke hatte ich mich bisher noch nicht rumgetrieben. Ich dachte, ich kenne schon einige Autobahnen in Deutschland, aber Rund um Köln ist es schon sehr besonders. Drei Autobahnen auf ich weiß nicht wie vielen Spuren. Konnte ich nicht zählen, da viel Verkehr war und ich auf die Straße achten musste. Was mir auffiel, die liefen alle nebeneinander, es mussten also mindestens sechs Spuren sein. Wenn man die Schilder rechtzeitig liest und weiß, wohin man möchte, ist das aber kein Problem. Trotz der hohen Verkehrsdichte sind wir da gut durch gekommen ohne Stau. Irgendwas war aber komisch. Zuerst ist es mir gar nicht bewusst geworden, aber nun, da wir Köln im Rücken hatten fiel mir bei wiederholten Blicken auf den Tacho auf, dass der partout nicht über die 125er Marke gehen wollte. War dieses hübsche recht neue Autochen etwa gedrosselt?! Verdammt! Jetzt wusste ich auch, warum das Überholen etwas träge war. Rund Köln war das kein Problem, da die Geschwindigkeit eh nicht so hoch war. Jetzt reduzierte sich die Anzahl der Autos und somit konnte auch schneller gefahren werden – wenn man denn kann. Das war schon echt blöd. Jetzt kam auch meine Zeitplanung durcheinander, aber auch egal, wir hatten alles im Auto und waren auf dem Weg.

Nun, da wir wussten, dass jeder Überholvorgang gründlich bedacht werden muss, begnügten wir uns mit der rechten Spur (außer bei der Annäherung von LKWs). Die Sonne schien, das Auto war angenehm gekühlt – alles gut. Dann entdeckte mein aufmerksamer Navigator eine Rauchsäule. Was war da los? Zuerst sah es noch nicht so schlimm aus, aber bei näherer Betrachtung wurde der Rauch immer mehr und dunkler. Oh, das war nicht gut. Das übliche Bild vor uns – die Warnblinker wurden eingeschaltet, die Geschwindigkeit reduziert. Wir waren relativ weit vorn.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es schon die Erkenntnis, dass es irgendwo in Deutschland eine Lotterie für den Erhalt der Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs geben muss. Es waren teilweise sehr eigenwillige Fahrstile zu beobachten. Das können die einfach nicht in einer Fahrschule gelernt haben. Was aber nun folgte, schlug dem Fass den sprichwörtlichen Boden aus. In der letzten Zeit wurde massig auf verschiedenen Wegen auf die Bildung einer Rettungsgasse hingewirkt. Das lernt wirklich jeder in der Fahrschule. Aber wie schon festgestellt, den Befähigungsnachweis kann man bestimmt auch kaufen oder in der Verlosung erhalten.

Da wir ja nun etwas größer waren und nicht ganz so wendig wie ein PKW haben wir uns mal in der mittleren Spur einsortiert. Schneller und kleiner als Brummis waren wir ja nun doch noch. Da die Rauchsäule am rechten Fahrbahnrand war, zogen alle nach links. Logisch. Wir sind bis in Sichtweite an den Ort des Geschehens herangekommen, als es zur Sperrung der Strecke kam. Nun fragte ich mich, wo jetzt wohl die Rettungsgasse gebildet wird. Da, wo sie vorgesehen war, sah ich im linken Spiegel nur noch Autos und dann einen dicken LKW. Die Lösch- und Rettungsfahrzeuge waren inzwischen auf dem Weg, sie fuhren auf der Gegenfahrbahn mit Sondersignal. Es war also davon auszugehen, dass die gleich von hinten durchfahren wollen. Na der Standstreifen wäre ja auch noch da. Inzwischen war auch ein ziviles Einsatzfahrzeug bis an die Unfallstelle gefahren und wieder rückwärts aus der Absperrung heraus. Erste Feuerwehrleute versuchten das Chaos zu sortieren und dirigierten die Autos an die Seite.

Zwischenzeitlich, es stand bereits fast alles, schlängelte sich ein superschlauer durch den Stau. Unglaublich. Es schien, als meinte der Fahrer, wenn doch da was frei ist, kann ich doch vor fahren. Da fehlten uns die Worte. Nicht lange und das Auto stand links neben mir in der Rettungsgasse. Ich war neugierig und schaute, wer das Cleverle war. Frau Mitte dreißig mit zwei kleinen Kindern im Auto. Mann, der hätte man den Schein sofort wegnehmen sollen. Soviel Dummheit komprimiert in einem Kopf! Rechts von uns näherten sich inzwischen die Löschfahrzeuge und andere kluge Autofahrer, die die freien Stücke Fahrbahn nutzen wollten. Ist ja Platz. Wäre ich in diesem Einsatzfahrzeug der Polizei gewesen, hätte ich die Kasse der Behörde deutlich gefüllt und Tickets verteilt. Leider waren die beiden Beamten mit dem Einsatz beschäftigt. Da ja die Löschfahrzeuge durch waren, meinten nun einige Fahrer und Mitfahrer, aussteigen zu müssen und die Autobahn als Fußweg zu nutzen. Nun griffen auch die Beamten aus dem Zivilfahrzeug ein und scheuchten die Leute von der Fahrbahn. Da kam ja noch der Krankenwagen!
Wie bereits erwähnt, man fragt sich, wie manche Leute zu ihrem Führerschein gekommen sind. Und dann dieser Egoismus – jeder will auf Teufel komm raus weiter kommen, egal wie.

Da kann ich nur hoffen, dass meine Lieben nie in so eine Notlage auf der Autobahn geraten. Im Zweifel geht man wegen der Dummheit der Autofahrer drauf. Die schnelle Hilfe, die so manches Mal in der Kritik steht, wird in den seltensten Fällen durch Rettungskräfte oder deren Ausstattung gefährdet. Egal ob auf der Autobahn oder sonst auf der Straße – Autofahrer, die unaufmerksam sind oder einfach nicht angemessen reagieren sind wohl die Ursache für Behinderungen des Rettungsdienstes.

Glücklicherweise wurde der Brand relativ schnell gelöscht und die Straße auf einer Spur wieder frei gegeben. Interessant auch hier den Egoismus zu beobachten. Wir waren ja mit einem etwas größeren Auto unterwegs und wie erwartet, bedurfte es besonderer Aufmerksamkeit beim Spurwechsel. Es will eben jeder der erste sein…

Den nächsten Stopp gab es dann wie erwartet, in der Frankfurter Region. Den hatte ich vor Fahrtantritt auch nicht auf dem Plan, erst als mir bewusst wurde, dass wir dort zur Rushhour durchfahren würden. Herzlichen Glückwunsch! Dabei habe ich es ja schon des Öfteren lesen dürfen, was da so ab geht… Was für ein Fahrgenuss, als wir hinter Frankfurt waren. Nun war nur noch das durchgängige Problem unserer Höchstgeschwindigkeit. Jetzt weiß ich, wie sich die Brummifahrer fühlen müssen. Und wir durften ja satte 125 Km/h fahren.

Pünktlich zur Dunkelheit waren wir dann unserem Ziel sehr nahe. Da ich inzwischen die Navigation übernommen hatte und sonstige Beifahreraufgaben, fiel mir auch die Aufgabe zu, beim Vormieter anzurufen, um Bescheid zu sagen, dass wir in 15 Minuten ankommen. Kein Problem – dachte ich. Die Verbindung wurde angenommen, ich sagte meinen Spruch auf und dann kam die Antwort. Oohh, wie bitte?! Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden. Das Spielchen haben wir zwei- dreimal gemacht, dann habe ich gedacht, er hat mich ja verstanden und ich hab mich verabschiedet. Tiefstes bayrisch! Hilfe! Von Angesicht zu Angesicht habe ich den jungen Mann dann verstanden. Er hat sich vermutlich auch Mühe gegeben, deutlich zu sprechen. Seine Frau war schwerer zu verstehen. Ohje, das wird wohl die ersten Wochen wie ein Exil für die Person, die hier umzog.

Der Plan, noch ein paar Teile auszuladen, wurde begraben. Matratzen, Bettzeug, persönliche Sachen und die Lebensmittel wurden hoch getragen, der Rest musste warten.
Hochtragen – hier hatte ich ein déjà vue. 88 Stufen! Lange ist es her, aber ich war damals froh, dass so viele Freunde beim Umzug halfen. Hier waren wir zu zweit. Ich freute mich auf den nächsten Morgen.

Vierter Schritt: Ausladen. Sechs Uhr morgens. Durchs Bad waren wir bereits durch. Jetzt stellte sich wieder mal die Frage, wo können wir parken? Wieder kein idealer Platz, also vor die Garagen. Halb sieben – die ersten Kartons nahmen den Weg nach oben. Recht schnell war die Strategie klar, wir lagerten auf halber Höhe zwischen. Nach dem zweiten Gang war ich schon wieder total durchgeschwitzt. Es war jetzt zwar im ersten Moment noch kühl, aber unter leichter Belastung merkten wir das Wetter.
Zu allem Überfluss war nun noch die Zeitkomponente hinzugekommen. Um zehn mussten wir fertig sein und das Auto zurückbringen. Also Zähne zusammenbeißen und tapfer die Stufen hoch. Nicht denken.

Das morgendliche Treiben begann und natürlich standen wir mit dem Auto im Weg. Bloß gut, dass die Ladung nicht vor der Ladeklappe den ersten Stopp hatte. Hier konnten wir leider nicht entsprechend unseres Kräftehaushalts die schweren und unhandlichen Dinge zuerst hochtragen. Die waren ja ganz hinten verstaut. Gegen halb neun waren wir dann recht weit voran gekommen, hatten ein klein wenig Hunger und nebenbei waren wir reif für eine Pause. Schlag zehn war das Auto leer und mindestens die Hälfte der Ladung am Zielort, also ganz oben. Geschafft! Nun hieß es das Auto wegbringen, den Rest nach oben tragen und für mich noch sechs Stunden Bahnfahrt durchhalten. Aber das war ja nun ein Klacks.

Die nächsten Tage, die ja in der Zeitrechnung des Titels nicht mehr bedacht werden, standen unter dem Zeichen der Wackersteine als Muskelersatz und leichten Rückenschmerzen. Neben der anhaltenden Hitze.

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